2010

"Das ist eine Wissenschaft für sich"

Ochtrup - „Glück zu“, begrüßt Windmüller Hermann Nobbenhuis am Pfingstmontag die Besucher der Bergwindmühle und verteilt lachend süße, weiße Mühlenmäuse. Der Chef der Och­truper Bergwindmühle ist am Deutschen Mühlentag zufrieden mit dem Wind und dessen Stärke. „Optimales Windmühlenwetter“, bemerkt er und schaut zu den Windmühlenflügeln hinauf, die sich geruhsam drehen. Nobbenhuis schildert die Zusammenhänge von Drehgeschwindigkeit und Besegelung und erläutert die recht kompliziert anmutenden technischen Zusammenhänge der Funktion einer Windmühle.

Es ist schon faszinierend, dieses Verhältnis zwischen den Windmühlenflügeln und dem Wind. Einerseits werden die Flügel vom Wind getrieben, andererseits haben sie gegen ihn zu kämpfen. „Das ist eine Wissenschaft für sich“, meint eine Besucherin.

Auch über das Innenleben der Mühle wissen Nobben­huis und seine Jungmüller viel Interessantes zu berichten. Der kleine Mika staunt zum Beispiel, wie das Korn zu Mehl gemahlen wird und in einem großen Mehlsack landet. Zum Abschluss stubst Norbert Paßlick vom Förderverein Bergwindmühle dem Kleinen und seinem Papa einen weißen Mehltupfer auf die Nase. Danach bekommt Mika am Stand des Fördervereins noch einen Luftballon. Mika und die vielen anderen Kinder testen natürlich auch das Windmühlen-Glücksrad, an dem es viele schöne Preise zu gewinnen gibt.

Das bunte Treiben mit den vielen Aktionen rund um die Bergwindmühle erfreut Klein und Groß. Einige Seiler führen vor, wie Springseile per Hand angefertigt werden. An einem anderen Stand werden selbstgebackenes Brot und frisch gemahlenes Mehl aus der Bergwindmühle angeboten. Und im Erdgeschoss der Bergwindmühle brüten einige Kinder und ihre Eltern über dem Mühlenquiz.

Draußen schlendern die Leute vorbei an den Ständen mit Imkerhonig, Blumen, Patchworkarbeiten, Puppen, Holzspielzeug, das in den Caritas-Werkstätten angefertigt wurde, und anderen Dingen, die den Besuch des Mühlentages in Ochtrup zu einem lebendigen Pfingstausflug machen.

Im wahrsten Sinne des Wortes ein Magnet ist für viele Frauen der Stand mit dem Magnetschmuck. Modeschmuck mit Magnetanteilen, der obendrein für verbesserte Durchblutung sorgen und sogar Schmerz lindern soll? „Ich trage so ein Magnet-Armband, und bei mir hat das gewirkt“, sagt eine Frau, während sich der dazugehörige Ehemann lieber der Oldtimer-Traktorenschau zuwendet.

Am Nachmittag lockt der selbst gebackene Kuchen, den sich die Schaulustigen in der Cafeteria unter freiem Himmel schmecken lassen.

Auch von auswärts haben sich zahlreiche Leute auf den Weg zum historischen Schmuckstück auf dem Och­truper Berg gemacht. „Wir haben viele Stammbesucher, die jedes Jahr zum Deutschen Mühlentag hierher kommen“, freut sich Nobbenhuis. &bdq Ochtruper Berg ist nun mal ein markanter Punkt. Kachelmann wollte hier sogar schon mal eine Wetterstation installieren“, schiebt er lachend hinterher, verteilt süße, weiße Mühlenmäuse und ruft den Leuten ein freundliches „Glück zu“ entgegen.










Wie die geflügelten Gebäude der Generationen gepflegt werden

Es ist nicht lange her, als Mühlen ruinöse Relikte der Geschichte waren. Heute strahlen viele in altem Glanz, werden gehegt und gepflegt. Dafür sorgt die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung, zu der die Westfälisch-Lippische Mühlenvereinigung als Landesverband gehört. Der lud nun zur Mitgliederversammlung.

Die Landesversammlung fand in diesem Jahr in der Gaststätte „Zur Alten Mühle“ der Familie Nobbenhuis an der Bergwindmühle in Ochtrup statt. Bürgermeister Kai Hutzenlaub nahm die zum Anlass, den 70 Teilnehmern die Stadt Ochtrup und ihre Mühlen vorzustellen: „Während viele Orte des Münsterlandes bereits eine Vielzahl von Mühlen aufweisen konnten, war Ochtrup lange Zeit ‘mühlenfreie‘ Zone.“
Die Langenhorster Stiftsmühle hatte das Privileg, dass im Umkreis von zwei Stunden Fußweg keine weitere Mühle sein durfte. Erst 1735 wurde die erste Bockwindmühle auf dem Stadtwall errichtet, aber 1884 abgerissen. 1859 baute Bauer Steingrobe in der Weiner eine Mühle – heute ein Bikertreff.

In vierter Generation

1848 wurde die Ochtruper Bergwindmühle vom Zeller Elfering aus Graes errichtet. 1887 ging sie in den Besitz der Eheleute Hermann und Luise Nobbenhuis über. Besonderen Dank für die Pflege der Bergwindmühle richtete Hutzenlaub an Hermann Nobbenhuis, der sich in vierter Generation für die Mühle einsetzt.

„Die Bergwindmühle hat sich nach und nach zu einem der schönsten Wahrzeichen von Ochtrup entwickelt“, sagte Hutzenlaub.
Nobbenhuis reagierte mit einem Plädoyer für den Erhalt der Mühle. „Auf der Windmühle muss man das Gefühl für die Mühle und das Wetter haben“, schwärmte er. Aus ebendiesem Grund wurde er Müller und bildet mittlerweile auch aus.

1955 Stillgelegt

„Seine“ Mühle wurde 1955 stillgelegt, 1966 übernahm er mit seiner Frau Christel – inklusive der Gaststätte, die seine Großmutter als Zuerwerb gegründet hatte. Nach Restaurierungen in den 80er und 90er Jahren erhielt die Mühle 2006 ein Flügelkreuz von 24,60 Metern. 2007 wurde der Förderverein Bergwindmühle Ochtrup auf seine Initiative gegründet.

Nach einem Kurzreferat der neuen Bestimmungen der Wasserrechtsrahmenlinien durch Paul Demel, Beisitzer der Westfälisch-Lippischen Mühlenvereinigung, lobte Landrat Thomas Kubendorff als Vorsitzender des Landesverbandes die Bemühungen um den Erhalt der Mühlen. Auch deutete er die Idee eines Mühlenführers an. „Nur eine touristisch wertvolle Region ist attraktiv.“ Mit der Wiederwahl des Vorstandes endete die Versammlung. Die Besichtigung der Bergwindmühl rundete den Tag ab.

 


Der bestätigte Vorstand mit Landrat Thomas Kubendorff (M., 1. Vorsitzender) auf der Galerie der Bergwindmühle Nobbenhuis.
Foto: Elvira Meisel-Kemper

 


Thomas Kubendorff (l.) als Erster Vorsitzender des Landesverbandes Westfälisch-Lippische Mühlenvereinigung lobte die Bemühungen um den Erhalt der Mühlen. Müller Hermann Nobbenhuis (r.) ist Besitzer der Bergwindmühle in Ochtrup.
Foto: Elvira Meisel-Kemper

 


Mühlenroute soll Touristen locken

Ochtrup -„Achtet darauf, dass die Sicherheit gewährleistet ist“ - diesen Rat gab Christian Hoebel den Mühlenfreunden der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung während der Landeshauptversammlung am Samstag in der Gaststätte Nobbenhuis. Im Schatten der Bergwindmühle referierte Hoebel über &bdquoAktuelles aus der westfälisch-lippischen Mühlenlandschaft“.

Die Betriebssicherheit der Mühlen lag ihm dabei besonders am Herzen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Gesellschaft rund 60 Instandhaltungen, angefangen von Sturmsicherungen bei Windmühlen bis hin zu Brandsicherungen bei Backhäusern. Hoebel berichtete zudem von einigen historischen Windmühlenstandorten, beispielsweise in Borken, Bad Salzuflen und Rüthen. Besonders lag ihm eine Windmühle in Isselburg am Herzen. Deren Technik entspreche dem Stand des frühen 16. Jahrhunderts und sei vollständig erhalten. In naher Zukunft wolle man mit Hilfe von Experten das genaue Alter der Mühle bestimmen. „Das ist schon was Besonderes“, zeigte sich Hoebel begeistert. Zum Ende seines Vortrags lobte er die engagierte Arbeit des Vereins vor Ort in Isselburg und die der Denkmalpflege, die ihre Kenntnisse und Interessen miteinander verknüpften und so den Erhalt der Mühle möglich machten.
Bereits zuvor hatte die Versammlung sowohl den zweiten Vorsitzenden Friedrich Nolte als auch Schatzmeister Johann Nefigmann und Geschäftsführer Wilhelm Niemann in ihren Ämtern bestätigt und ohne Gegenstimmen für eine weitere Amtsperiode votiert. Nolte kündigte allerdings an, die Amtszeit nicht mehr vollständig ausfüllen zu wollen und regte zur Suche nach einem Nachfolger für sein Amt an.

Etwas verspätet erschien der erste Vorsitzende der Gesellschaft, Landrat Thomas Kubendorff. Er ließ es sich nicht nehmen, den Kreis Steinfurt und dessen Vorzüge hervorzuheben. Schnell kam Kubendorff auch zum Bereich Tourismus, der die Mühlenfreunde besonders interessierte. So plant die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung eine sogenannte Mühlenroute, ähnlich der Schlösserroute. In deren Verlauf sollen besonders die unterschiedlichen Formen der Mühlentechnik vorgestellt werden. Auch ein Mühlenführer ist in Planung. Die dadurch entstehenden Effekte würden vor allem den Müllern zugutekommen. „Es tut sich einiges“, blickte Kubendorff zuversichtlich nach vorne.

Nach dem offiziellen Teil der Versammlung ging es für die Mühlenfreunde nach draußen zur Besichtigung der Ochtruper Bergwindmühle. Hausherr Hermann Nobbenhuis übernahm die Führung und gewährte seinen Gästen einen umfangreichen Einblick in die Geschichte seiner Mühle. Nach dem Mittagessen besichtigten die Mitglieder schließlich noch Haus Welbergen und die dortige Wassermühle. „Man kommt da normalerweise nicht herein. Das ist wirklich etwas Besonderes“, erklärte Nobbenhuis den Teilnehmern.


VON ANNE STEVEN